Schlechte Laune

Donnerstag, 23:00 Uhr. 

Ich liege im Bett. Bin Wach. 

Na toll, ich habe schlechte Laune. So richtig schlechte Laune. Ohne Grund. Einfach so. Ich. Habe. Schlechte. Laune. 

Da kommt die Stimme. Ich kann sie richtig in meinem Kopf hören: Und woran erkennst du es, dass du schlechte Laune hast?

W..was? Wie bitte? Wer wagt es, meine geheiligte schlechte Laune in Frage zu stellen? 

Der Stimme sind meine Fragen piepegal, sie stellt ihre eigenen: Woran machst du es fest, dass du schlechte Laune hast?

Ach so. Das hätte ich mir denken können. Es ist Jürgen. Mein Nörgler, mein Gewissen, mein schlechteres Ich. 

Jürgen, was willste von mir?

Die Frage stelle ich jetzt nicht nochmal, antwortet Jürgen beleidigt.

Die Flage ssstelle ich nicht nochmal, äffe ich ihn nach. 

Ich darf das. Schließlich habe ich schlechte Laune. Woran mache ich das fest. Was für eine doofe Frage. 

Ich habe so`n Gefühl im Magen, weißte?, erkläre ich. 

Jürgen ist erwartungsgemäß nicht überzeugt und zieht nur die Augenbraue hoch. 

Maaann. 

Ich habe so schnelle, doofe Gedanken.

Nichts Neues bei dir, kommentiert Jürgen.

Ich werde stutzig. Ja woran mache ich das denn fest? Bevor ich eine Antwort finden kann, schlafe ich ein. Jürgen kann warten.

Freitag

Ich bin fest entschlossen, den Beweis für meine schlechte Laune zu finden. Wie erkennen Menschen, dass sie schlechte Laune haben? Ich schleppe mich durch den Tag. Nichts passt mir. Alle zu langsam, alles zu blöd. Ich räume eine Ecke im Haus auf, die anderen drei sind wieder verdreckt. Ich schnauze den Hund an, als er mit seinen dreckigen Pfoten auf meinen nagelneuen Bürostuhl springt. Ich will alles sauber haben. Ich will Ordnung. Will alleine sein. Ich flüchte in mein neues Büro und tobe mich dort mit Eimer und Putzlappen aus. Ich bin gerade dabei, es zu beziehen. Am Ende der Putz-Entspannung inkl. Alleinsein bin ich einigermaßen ok drauf. 

Komme nach Hause. 

Dort schmeißt Robin (12) mit Sachen um sich. Ich höre von oben unzusammenhängende Fetzen: „Blöder Humusboden. Blöder Regenwald! Was soll das?“ Ah, ja. Willkommen in der Realität. Kind im Homescooling. Meine schlechte Laune wird noch ein bisschen schlechter. Denn ich habe viel zu tun und zu arbeiten. Mittagessen will gekocht werden, der Wäschekorb steht seit gestern auf der Treppe und ich will… Was will ich denn? Ah, ja. Will es hier sauber haben, will Ordnung, will Alleinsein. 

Was? Was verdrehst du so blöd die Augen?, frage ich Jürgen und verdrehe die Augen. Jürgen wiederholt: Sauber, Ordnung, allein. Klingelt`s? 

Boah, was der nervt. Was soll da schon klingeln? Warte ma. Wann verspüre ich diesen penetranten Drang nach Ordnung und Alleinsein? Wie auf Bestellung meldet sich mein Handy und erinnert mich an die nahende Periode. Dass die sich immer so heimtückisch, über Umwege, über Zwänge und schlechte Laune anschleichen muss. Zum Kotzen ist das! Ich will ein Mann sein. Nicht für immer. Nur für diese zwei-drei Tage im Monat. Ich meine, bevor die Tage kommen. 

Und wir Frauen wollen ja auch noch „normal“ sein an den Tagen vor den Tagen. Lächeln, obwohl uns nach Heulen ist, lassen die Tassen auf dem Tisch stehen, obwohl wir jeden anschreien würden, damit sie ihre Scheißtassen gefälligst wegräumen sollten. Wir wollen es nicht zeigen. Ja wir haben Tage. Ja wir werden hormonell so durcheinander geschüttelt wie die Lottokugeln in der Trommel. Aber wir lächeln weiter. Keiner soll uns diese dämliche, verhasste Frage stellen: Was is`n los, haste Tage? Auch ich will, aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen, normal wirken. 

Heute mache ich was ganz Neues. An diesem Tag beschließe ich, mich so richtig, richtig lieb zu haben. Für irgendwas muss die schlechte Laune doch gut sein. Auch, wenn ich für sie noch keine richtigen Beweise gefunden habe. Was will sie mir sagen? 

Gegen Abend bekomme ich Migräne. Mit Homescooling, Homeworking und einem Hundewelpen ist Privatsphäre inzwischen so fremd wie Kinobesuch ohne Maske. Ich bemerke, dass meine Sinne bis zum äußersten gereizt sind. Mit ist alles zu viel, zu laut, zu grell, hatte ich schon das Zuviel? Aus diesem Grund wollte ich allein sein. Um meine Sinne zu schonen. Hm, Sinne schonen zu wollen ist keine schlechte Laune. Es ist ein Bedürfnis vom Körper. Komisch, dass ich das bisher nicht als solches verstanden habe. Ich habe schnurstraks dagegen gehandelt. Daher die schlechte Laune. 

Als ich das erkenne, kann ich viel besser für mich sorgen. Ich bitte zum Beispiel Robin, mir die wahnsinnig interessante Geschichte später zu erzählen. Lena muss auf ihre erste Nählektion halt noch ein paar Tage warten. Und der Hund darf in den Garten kacken. Ich habe einfach keinen Nerv auf all die menschlichen und tierischen Interaktionen. 

Abends, als mein Mann nach Hause kommt, gehe ich joggen. Heimlich. (Warum heimlich, erzähle ich dir hier.) 

In den Park. 

Allein. 

Tief stehende Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich fühle mich plötzlich so lebendig. Ich liebe… Jürgen steckt sich den Zeigefinger in den Rachen und ahmt Würgegeräusche nach. Er steht nicht so auf Esokram. Ich schon. Wo war ich? Ach ja, tiefstehende Sonne… Halt die Klappe Jürgen. Beinahe hätte ich gerufen: Maam, Jürgen zeigt mir einen Vogel! Aber da war niemand. Nur ich. Die Sonne. Die Liebe. Und schlechte Laune? Keine Ahnung. Hatte ich überhaupt welche? Und den Beweis für ihre Existenz habe ich auch nicht gefunden. Ich schätze, aus mir wird nie eine gute Polizistin. 

Alles Liebe

Deine Tanja

Sei großartig.

Sei du selbst.

Sei ein Profigirl. 

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Ich bin Tanja

Coach für The Work, ausgebildete Sport- und Gymnastiklehrerin und Sporttherapeutin.

Ich arbeite als Mentorin, Coach und Therapeutin.

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